Stütze für strafgefangene Frauen
Geschrieben von: Frankfurter Neue Presse   

Samstag, 11. Mai 2013

Von Nicole Jost


Engagement für Mutter-Kind-Heim

Die Dreieicherin Ortrud Georg-Pathe ist Vorsitzende des Vereins Mutter-Kind-Heim Preungesheim. Mindestens einmal pro Woche fährt sie ins Gefängnis.



Ortrud Georg-Pathe, die Vorsitzende des Vereins Mutter-Kind-Heim Preungesheim, arbeitet auch zu Hause viel für strafgefangene Frauen. Foto: Jost


Dreieich. Ortrud Georg-Pathe sitzt schon auf gepackten Koffern: Am Dienstag reist sie nach Berlin, um am Mittwoch bei der Verleihung des Medienpreises des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte dabei zu sein. Die Dreieicherin, in ihrer Heimatstadt als engagiertes „Hayner Weib“ bekannt, ist nämlich noch in einer weiteren Funktion ehrenamtlich aktiv. Über ihre Arbeit als Vorsitzende des Vereins Mutter-Kind-Heim Preungesheim hatte das ZDF eine kleine Reportage gedreht, die im Morgenmagazin und im Infokanal des Senders gezeigt wurde und die jetzt mit dem Medienpreis ausgezeichnet wird.

Es ist bei der Sprendlingerin so, wie es bei vielen ehrenamtlich Tätigen ist. Kaum engagieren sie sich für das Eine, öffnet sich schon die nächste Tür für eine weitere Sache, für die es sich lohnt einzutreten. Ortrud Georg-Pathe hatte das Mutter-Kind-Heim Preungesheim bei einer Spendenübergabe der Hayner Weiber kennen gelernt. „Die Arbeit mit den strafgefangenen Frauen, die mit ihren Kindern im Gefängnis leben, hat mich so beeindruckt, dass ich noch am selben Tag in den Verein eingetreten bin“, erzählt sie.

Schon bald hat sie die Schulung als ehrenamtliche Betreuerin durchlaufen, hat „tausend Papiere“ unterschrieben und besitzt jetzt einen Ausweis, der sie berechtigt in ganz Hessen Gefangene zu betreuen. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt aber bei den Frauen, die im Mutter-Kind-Heim in Preungesheim untergebracht sind.

Einmal in der Woche fährt die Ehrenamtliche ins Gefängnis, in dem in der geschlossenen Abteilung sechs Frauen und im offenen Vollzug bis zu 18 Frauen untergebracht sind. „Meine Arbeit dort ist sehr vielseitig: Erst einmal sind wir für die Frauen ein direkter Ansprechpartner. Sie wollen sich meist über ihr Leben früher unterhalten, über ihre Heimat. Viele kommen aus Südamerika und sind im Gefängnis, weil sie als schwangere Frauen Drogen nach Deutschland geschmuggelt haben“, berichtet die engagierte Ehrenamtliche. Es sei in der internationalen Drogenszene sehr beliebt, werdende Mütter zu schicken, weil vermutet wird, dass sie nicht so streng kontrolliert würden. Inzwischen sei diese Masche beim Zoll aber schon durchschaut, und gerade schwangere Frauen werden extrem gründlich auf Drogen untersucht. Aber auch Mörderinnen und Betrügerinnen hat die Sprendlingerin schon betreut.


Schreckliche Erlebnisse

Über ihre Straftaten wollen sie meist nicht so gerne sprechen - und müssen das auch nicht unbedingt. „Es macht es für uns etwas einfacher, damit wir wissen, wo wir im Gespräch besonders sensibel sein müssen. Die meisten Frauen erzählen uns aber ihre Lebensgeschichte.“ Das sei nicht immer ganz einfach, teilweise haben die Gefangenen schreckliche Dinge erlebt.

Gerade ihr allererster Fall habe sie tief bewegt. Eine Mutter von sechs Kindern hat kein Wort mehr gesprochen, war tief traumatisiert, wegen der Misshandlungen am eigenen Körper und ihrer Kinder vom Ehemann. „Für manche dieser Frauen ist das Gefängnis eine Rettung. Sie haben ein eigenes Zimmer, ihr Leben wird organisiert, sie bekommen zu essen und haben endlich Ruhe vor ihrem Mann“, hat Ortrud Georg-Pathe schon viele schreckliche Geschichten erfahren.

Viele der Frauen nutzen die Zeit als Gefangene auch als Chance: Sie machen eine Ausbildung in der Lehrküche als Köchin, lernen Lesen und Schreiben oder Deutsch. Viele von ihnen kommen schwanger in das Mutter-und-Kind-Heim. Hessen ist das erste Bundesland, in dem die Gefangenen im Kreißsaal nicht mehr gefesselt sind. Auch da sind ehrenamtliche Helfer zur verbesserten Aufsicht oftmals mit dabei.


Kontakt zu Sozialarbeitern

„Unsere Hilfe ist teilweise aber auch ganz pragmatisch: Aus Bußgeld verteilen wir Telefongeld, die Frauen dürfen 45 Minuten im Monat mit Zuhause telefonieren, wir schaffen Spielzeug für die Kinder an und finanzieren Nähkurse für die Gefangenen.“ Dabei steht die Vorsitzende des Vereins immer in Kontakt mit den Sozialarbeitern im Gefängnis. „Da kommt schon auch mal ein Anruf, ob ich nicht schnell vorbeikommen kann. Neben dem kompletten Mittwoch bin ich also manchmal auch ein zweites oder sogar ein drittes Mal in Preungesheim.“

Von zu Hause aus, in ihrem lauschigen Haus mit Garten in Sprendlingen, in dem sie mit ihrem Mann lebt, koordiniert sie die weitere Vereinsarbeit. Manchmal kommen Anfragen von Frauen, die ihre Gefängnisstrafe antreten müssen und gerne im Mutter-Kind-Heim unterkommen wollen, sie hat viele Anfragen von Praktikanten und auch eben von Medien, wie dem ZDF. Gerade vergangene Woche war sie in Wiesbaden im Landtag und hat dort eine Präsentation ihrer Arbeit in Preungesheim gehalten und Fragen beantwortet.

Wenn sie nicht gerade für die Frauen im Gefängnis unterwegs ist, oder sich für die Hayner Weiber engagiert, kümmert sich die Mutter von vier Kindern regelmäßig um ihre zwei Enkel. Außerdem ist die ehemalige Grundschullehrerin bei der Kreisvolkshochschule als Kursleiterin im Fach politische Bildung aktiv. „Langweilig wird mir also wahrlich nicht“, sagt sie mit einem sympathischen Lachen. Wenn doch mal Zeit ist, liebt es Ortrud Georg-Pathe zu wandern, zu schwimmen oder mit ihrem Mann mit dem Boot auf dem Main zu schippern.

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